Industrielle Arbeit 2020
15/05/2014

Intelligente Produktion - eine Revolution auf leisen Sohlen

IG Metall-Bezirksleiter Knut Giesler hat die Betriebsräte der Metall- und Elektroindustrie dazu aufgerufen, die vierte industrielle Revolution - kurz "Industrie 4.0" - mitzugestalten. Sie sollten die Erneuerung der Produktion vorantreiben, "Innovationspromotoren" werden, sagte er auf der gestrigen Betriebsrätetagung im IG Metall-Bildungszentrum Sprockhövel.

Der Wecker klingelt früher, weil das häusliche Informationssystem in Erfahrung gebracht hat, dass es einen Stau auf dem Weg zur Arbeit gibt. Dieses Bild veranschaulicht, wie sich im sogenannten Internet der Dinge reale und digitale Welt miteinander vernetzen werden. Für die Produktion bedeutet das: Anlagen steuern sich selbst, Werkstücke teilen selbst mit, wohin sie transportiert und wie sie weiterverarbeitet werden sollen. Flussprinzip und Einzelfertigung schließen sich nicht länger aus. Maschinen, Beschäftigte und Verbraucher kommunizieren miteinander und steuern sich gegenseitig, agieren höchst flexibel, betreiben individuelle Massenproduktion.

Langsam drängen diese Vorstellungen von der intelligenten Fabrik aus den Denkfabriken und Forschungslabors in die Betriebe. Aber niemand weiß, welche Rolle die Beschäftigten in der Fabrik der Zukunft spielen werden. Das kann ein Vorteil sein: Wenn "noch nichts fertig" ist, könne man "jetzt gestalten", sagte auf der Betriebsrätetagung in Sprockhövel Christian Prasse vom Dortmunder Fraunhofer Institut.

Nordrhein-Westfalen will Vorreiter sein

Dass Nordrhein-Westfalen Vorreiter in Sachen "Industrie 4.0" werden muss, steht für IG Metall-Bezirksleiter Knut Giesler außer Frage. "Seit 1991 sind bundesweit 250.000 Arbeitsplätze in unserem Organisationsbereich verloren gegangen", sagte Giesler, "210.000 davon in NRW." Rückenwind erhält die Modernisierung der Industrie von der Bundesregierung: Sie fördert mit 100 Millionen Euro das einzigartige Spitzencluster "it's owl" (Intelligente Technische System OstWestfalenLippe), einen Zusammenschluss von 174 Hochschulen, Forschungszentren und Unternehmen.

Eines dieser Unternehmen ist Phoenix Contact in Blomberg bei Detmold. Uta Reinhard, die Betriebsratsvorsitzende, hat nicht darauf gewartet, dass die Geschäftsführung sie über Pläne in Sachen Industrie 4.0 umfassend informiert. Dafür ist noch zu vieles zu diffus. Reinhard läuft stattdessen mit offenen Augen und Ohren durch den Betrieb, hat hier und da was aufgeschnappt, mit Ingenieuren und Forschern gesprochen, sich ins Thema eingefuchst. "Das kostet viel Zeit", sagt sie. Phoenix Contact, bekannt für seine Reihenklemmen, befasst sich mit Interface-Systemen und industrieller Verbindungstechnik. Dass diese Firma mit dabei ist, wenn es um Industrie 4.0 geht, liegt auf der Hand. Betriebsräte, die wissen wollen, ob sich ihre Firma an dieser Entwicklung beteiligen kann: Das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IMF) in Dortmund bietet einen sogenannten Readiness-Check an.

So ungewiss ist, was Industrie 4.0 konkret bedeutet, ob die Chancen oder die Risiken überwiegen - in einem Punkt waren sich alle Betriebsräte in Sprockhövel einig: Fortbildung wird wichtiger denn je. "Wir müssen uns das Thema Qualifizierung auf die Fahnen schreiben", sagte Knut Giesler - wohl wissend, dass Weiterbildung "kein sexy Thema" in den Betrieben ist. Man müsse "die Leute dazu bringen, Spaß am Lernen zu gewinnen".

Ob das beim Spezialmaschinenhersteller Kampf in Wiehl bei Gummersbach gelingt, ist offen. Doch eines will die Betriebsratsvorsitzende Anette Schmidt auf jeden Fall tun: Die Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Weiterbildung, die schon vor längerer Zeit abgeschlossen wurde, "aus der Schublade holen".

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