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28/06/2016

Klessmann wird bestreikt

Beschäftigte der Maschinenbaufirma IMA Klessmann im ostwestfälischen Lübbecke bestreiken seit heute Morgen sechs Uhr ihren Arbeitgeber.

Die neue Geschäftsführung hat zum 31. Dezember 2015 den Metalltarifvertrag gekündigt; Klessmann gehört seit September 2015 der österreichischen Schelling Anlagenbau GmbH. In vier Verhandlungen rückte der Arbeitgeber nicht von seinen Forderungen ab: zwei Jahre lang keine Tariferhöhung mehr und fünf Jahre lang drei Stunden pro Woche länger arbeiten - unentgeltlich (dabei sind die Arbeitszeitkonten zum Bersten voll, haben die  Beschäftigten dort im Jahresschnitt bis zu 50 000 Stunden angesammelt).

Begründet hat der Arbeitgeber seine Forderungen nicht. "Wir brauchen das" - mehr erfuhr die IG Metall-Verhandlungskommission nicht. 

Mit "den Jungs" kann man nicht verhandeln

Sie habe "nicht gedacht, dass man mit den Jungs nicht verhandeln kann", berichtet ein Mitglied der Verhandlungskommission. "Und irgendwann bist Du mit Deinem Latein am Ende." Weil sich nichts bewegte, erklärte die IG Metall Minden das Scheitern der Verhandlungen und beantragte beim IG Metall-Vorstand die Urabstimmung.

Die fand am 23. Juni statt. Sehr viele Beschäftigte sind Mitglied der IG Metall. Mehr als 90 Prozent der befragten IG Metall-Mitglieder votierten für Arbeitskampf (75 Prozent sind laut Satzung nötig). "Ein Solidaritätsbeweis, der seinesgleichen sucht", heißt es in einer Pressemitteilung der IG Metall Minden. Ihre Forderungen: Fünf Prozent mehr Entgelt und Ausbildungsvergütung ab 1. April 2016, was die IG Metall auch in der Metalltarifrunde 2016 gefordert hatte, und die Anerkennung "aller in der Metall- und Elektroindustrie geltenden Tarifverträge".

Zeitgleich veröffentlichte der IG Metall-Vorstand eine interessante Zahl: Die Beschäftigten, für die ein Tarifvertrag gilt, verdienen 25 Prozent mehr als die Beschäftigten ohne Tarifvertrag. 

Der erste Streik der Firmengeschichte

Die Stimmung unter den Streikenden ist erstaunlich unaufgeregt. Obwohl dieser Streik der erste Streik in der 65-jährigen Geschichte des ehemaligen Familienunternehmens ist. Wie Wikipedia unter Berufung auf den Jahresabschluss 2014 schreibt, ist die IMA Klessmann GmbH Holzbearbeitungssysteme "ein international tätiger Hersteller von Maschinen und Fertigungsstraßen für die Möbel- und Bauelementeindustrie und Anbieter produktbegleitender Dienstleistungen", zählte 2014 rund 850 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Umsatz von 160 Millionen Euro. 

Neben der Industriestraße in Lübbecke und dem über hundert Meter langen Firmengebäude stehen Plakatständer: "Dieser Betrieb wird bestreikt." Vor der Verwaltung gibt es jedes Mal ein Pfeifkonzert, wenn jemand dem Eingang zustrebt. Es sind viel weniger als sonst. Schätzungsweise ein Drittel der Angestellten geht nicht zur Arbeit. Unter ihnen sind auch Nichtmitglieder und Leitende. 

Die Geschäftsführung hat - wie aus ihrer Umgebung berichtet wird - erst Ende vergangener Woche begriffen, dass die IG Metall einen unbefristeten Streik plant und keinen Warnstreik von ein, zwei oder drei Stunden. 

Anruf aus Namibia

Der Betriebsratsvorsitzende Uwe Hussmann ist im lang geplanten Urlaub in Namibia, auf der anderen Hälfte der Erdkugel. Er ruft an: "Steht der Betrieb?" Er steht. Der Betriebsrat hat die Beschäftigten von vornherein in die Auseinandersetzung einbezogen, sie informiert und auf dem Laufenden gehalten. 

Der Mindener IG Metall-Bevollmächtigte und Streikleiter Lutz Schäffer steht auf dem Dach des Roadshow-Busses der IG Metall: "Ihr seid es", ruft er ins Mikro, "die aus Klessmann das gemacht haben, was es jetzt auf dem Weltmarkt ist!" 

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