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07/07/2020

„Die Krise wird länger dauern“

IG Metall-Bezirksleiter Knut Giesler über die dramatische Wirtschaftslage, den Kampf um Arbeitsplätze und die Diskussion um eine Auto-Umweltprämie.

Knut, der Ausbruch der Corona-Pandemie ist jetzt rund vier Monate her. Wo stehen wir in den Betrieben?

Die Lage ist in etlichen Bereichen durchaus dramatisch. Der Exportweltmeister Deutschland hat den schlimmsten Einbruch seiner Exporte seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt. Im Mai betrug das Minus bei den Ausfuhren mehr als 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das bekommen unsere Branchen natürlich in besonderer Weise zu spüren. Es sind unsere Leute, die in den Betrieben die Maschinen oder Autos herstellen, von denen jetzt global ein Drittel weniger nachgefragt wird.  

Die Krise wird also schärfer als jene aus dem Jahren 2008 und 2009?

Ich fürchte: ja. Sie wird vor allem länger dauern. Das Geschäft, das merken wir schon jetzt, erholt sich nur langsam. 

Wie lang wird sie dauern?

Kein Mensch kann das jetzt seriös beantworten, aber ganz sicher wird sie nach dem Sommer nicht einfach vorbei. Wir stellen uns auf eine längere Fahrt durchs Tal ein. Kurzarbeit wird weiter ein Thema in Betrieben sein, Beschäftigungssicherung bleibt unser dringendstes Anliegen. Wir wissen, was die Stunde geschlagen hat. Wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen. Und wir werden nicht zulassen, dass die Kosten der Krise allein die Beschäftigten zu tragen haben. 

Nutzen Unternehmen die Krise aus?

Wir registrieren einige Fälle. Der eine oder andere Unternehmer wittert wohl jetzt die Chance, an den Kosten zu schrauben. Da müssen wir höllisch aufpassen, und das tun wir auch. Corona kann kein Freifahrtschein sein, damit sich Arbeitgebern munter als Sanierer auf Kosten der Beschäftigten zu profilieren. Dem werden wir einen Riegel vorschieben. Die Arbeitgeber müssen nicht meinen, wir seien wegen der Beschränkungen in Corona-Zeiten nicht in der Lage, die Beschäftigten in den Betrieben zu mobilisieren.

Was kann die IG Metall angesichts der Dramatik tun?

Wir haben bereits eine Menge getan: Wir haben unmittelbar mit Ausbruch der Corona-Pandemie einen Solidaritäts-Tarifvertrag abgeschlossen und wir haben gemeinsam mit den Arbeitgebern die Instrumente aus der Schublade geholt, die uns schon in der Finanzkrise von 2008/2009 durch die schlimmste Zeit geholfen haben. Die müssen jetzt konsequent angewandt werden. Es gibt hier ein ganz klares Ziel: Wir müssen Beschäftigung sichern, wo immer es geht. Wir müssen die Leute in den Betrieben halten, bis die Krise überstanden ist. 

Wo drängt es am meisten?

Generell beim Thema Ausbildung. Wir erleben leider gerade auf breiter Front, dass Unternehmen die Ausbildung junger Menschen zurückfahren. Dafür habe ich nur ein Wort: Skandal. Das ist ein Skandal sondersgleichen, eine echte Sauerei.

Müssen wir angesichts der Dramatik der Wirtschaftslage nicht auch den Kampf gegen den Klimawandel zurückstellen? 

Im Gegenteil: Wir müssen in Sachen Transformation jetzt erst recht auf die Tube drücken. Wir müssen den Umbau anpacken. Corona kann keine Ausrede sein, um den klimafreundlichen Wandel der Industrie auf die lange Bank zu schieben. Viele Unternehmen haben sich lange genug herausgeredet und wichtige Weichenstellungen verschoben. Gerade hier in Nordrhein-Westfalen können wir davon ein Liedchen singen. Das werden wir ihnen nicht durchgehen lassen. Genauso wenig wie die Corona-Krise ein Grund ist, Beschäftigten ihre tariflichen Standards wegzunehmen, kann sie ein Grund sein, wichtige Zukunftsprojekte aufzuschieben. Ich sehe in der Krise an dieser Stelle auch eine große Chance: Lasst uns die Transformation jetzt umso entschlossener anpacken. Unternehmen, die das tun, werden am Ende als Gewinner aus der Krise hervorgehen, davon bin ich fest überzeugt. 

Hättest du dir von der Bundesregierung eine Kaufprämie für Autos gewünscht? 

Ich diskutiere ungern über die Vergangenheit, das bringt uns nicht weiter. Fakt ist: Die Bundesregierung hat sich gegen eine Umweltprämie für Neuwagen entschieden, die wird also erst mal nicht kommen. Damit müssen wir leben. Ohnehin gibt es da in der öffentlichen Wahrnehmung ein Missverständnis: Uns geht uns um gezielte Anreize, damit wir beide Anliegen miteinander verbinden können: den ökologischen Umbau wie auch die ökonomische Notwendigkeit, Arbeitsplätze zu erhalten. Wir wollten nicht eine Prämie für Autos generell, sondern eine für Autos, die weniger Emissionen verursachen und damit unsere CO2-Bilanz verbessern. 

Immerhin gibt es höhere Prämien für den Kauf von E-Autos...

Ja, aber der Effekt wird beschränkt sein: Die Ladestationen sind noch gar nicht da, und die Lieferzeiten für E-Autos betragen derzeit sechs bis acht Monate. Mir ist jedenfalls wichtig, dass die Regierung die Dramatik der Lage nicht verkennt: Gerade unsere Autoindustrie und die vielen großen und kleinen Zulieferer sind bedroht, dort stehen Zehntausende von Arbeitsplätzen auf dem Spiel, und von denen hängen 91 Prozent immer noch am Verbrenner. Prämie hin, Prämie her: Es muss zum Wohl dieser Arbeitsplätze etwas passieren.

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