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05/09/2011

Nach dem Richterspruch fließen Freudentränen

Alexandra Schulz darf nicht entlassen werden, die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der Firma Duisport Packing Logistics (DPL) behält ihren Job (Foto: 2.v.l.). Das hat das Arbeitsgericht Duisburg heute entschieden. Die Firmenleitung wollte der Betriebsrätin fristlos kündigen - wegen Arbeitszeitbetrugs.

Ein Arbeitnehmer begeht Arbeitszeitbetrug, wenn er beispielsweise morgens beim Pförtner eincheckt, die Firma heimlich durch den Hintereingang verlässt, shoppen oder Kaffeetrinken geht - und dann erst am Arbeitsplatz aufkreuzt. Sich entlohnen lassen, aber nicht arbeiten - das ist strafbar und rechtfertigt die außerordentliche Kündigung.

So weit so klar.

Was die Geschäftsführung von DPL jedoch der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Alexandra Schulz vorwirft, klingt abstrus: Die 46-Jährige habe sich wiederholt mit der Betriebsratsvorsitzenden Heidi Batkowki in der Betriebsstätte Essen getroffen und sei nach geraumer Zeit gemeinsam mit ihr nach Duisburg gefahren (dort ist Schulz als Sachbearbeiterin im Einkauf tätig). Dass Schulz und Batkowski Betriebsratsarbeit in Essen geleistet haben, bestreitet die Firmenleitung schlichtweg, liefert aber keinen Beweis für ihren Vorwurf.

Viele Behauptungen, keine Beweise

Sie behauptete beim ersten Kammertermin am 18. Juli sogar, es gebe in Essen gar kein Betriebsratsbüro. Das Gericht vertagte sich daraufhin und stellte am 5. September fest, dass es sehr wohl in Essen und in Duisburg je ein Betriebsratsbüro gibt.

Richter David Hagen dachte laut darüber nach, dass Alexandra Schulz "möglicherweise" die Reichweite des Paragrafen 37.2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verkannt habe; nach 37.2 BetrVG sind Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit zu befreien, "wenn und soweit es zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist". Doch selbst eine solche Verkennung würde keinen fristlosen Rausschmiss rechtfertigen, betonte Hagen. Die Arbeitgeberseite ging darauf auch nicht ein; sie war erkennbar nicht an einer konstruktiven Lösung des Rechtsstreits interessiert, betonte stattdessen mehrfach, dass sie am fristlosen Rausschmiss der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden festhalte.

Plötzlich stehst du am Pranger

Für Alexandra Schulz war das gesamte Verfahren eine extreme Belastung. Als sie vor Monaten mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, eine Betrügerin zu sein, fühlte sie sich "wie vor den Kopf geschlagen". Sie hatte sich nie etwas zu Schulden kommen lassen. Und nichts anderes getan als das, was sie seit Jahren tut: Betriebsratsarbeit. Plötzlich sollte das Unrecht sein und sie ein Diebin; ihre moralische Integrität wurde untergraben und ihre berufliche Existenz sollte zerstört werden. Ja, sie habe daran gedacht, aufzugeben, sagt sie nach dem Verfahren, aber Betriebsrat und IG Metall hätten ihr den Rücken gestärkt. Dafür sei sie unendlich dankbar.

Um 11 Uhr verkündet Richter Hagen den Beschluss des Gerichts: "Der Antrag" - gemeint ist der des Arbeitgebers auf fristlose Entlassung von Alexandra Schulz - "wird zurückgewiesen". Blass und angespannt hat die Betriebsrätin neben ihrem Rechtsanwalt gesessen, jetzt ihr fehlen die Worte - sie bricht in Tränen aus. Im Gerichtssaal sitzen viele Kolleginnen und Kollegen, sie gratulieren Alexandra Schulz, die jetzt nur eins ist: glücklich.

Die DPL-Geschäftsführung wird Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluss einlegen. Das Verfahren geht in die zweite Runde, vors Landesarbeitsgericht.

Betriebsräte als "Anwälte von Ratten" beschimpft

Das passt ins Bild. DPL-Chef Erich Staake - zugleich Vorstandsvorsitzender der Duisport Duisburger Hafen AG - habe sich schon "einen Namen als autoritärer Manager gemacht", sagt IG Metall-Sekretärin Petra Ahl. Als 2006/2007 die DPL-Vorgängerfirma VTS von der Hafen AG übernommen wurde, habe Staake den Betriebsräten gedroht, wer nicht mitziehe, werde "entsorgt". Und 2010, als der DPL-Betriebsrat einer Kündigung nicht zustimmte, soll Staake ausgerastet sein, die Arbeitnehmervertreter als "Anwälte von Ratten" beschimpft und angekündigt haben, man werde ihn noch kennenlernen.

Foto (v.l.): DPL-Betriebsratsvorsitzende Heide Batkowski, ihre Stellvertreterin Alexandra Schulz, Rechtsanwalt Thomas Pogadetz, IG Metall-Sekretärin Petra Ahl, Assessorin Annegret Heidemann

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