Pressemitteilung
18/06/2009

Im Herbst droht Krise mit voller Wucht

Die IG Metall-Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen bereitet sich für das zweite Halbjahr auf deutlich zunehmende Risiken für den Bestand von Arbeitsplätzen und industriellen Strukturen in NRW vor.

Oliver Burkhard, IG Metall-Bezirksleiter in NRW: „Im Herbst droht die Krise mit voller Wucht in die Betriebe zu kommen. Es ist fatal, dass der Bundeswirtschaftsminister jetzt vom Ende des Abschwungs redet und zu den drohenden Entlassungswellen schweigt. Kapitalgeber gerettet, Beschäftigte raus, so darf das Ende dieser Krise nicht aussehen. IG Metall und Betriebsräte kämpfen derzeit um jeden Arbeitsplatz. Beschäftigung sichern, Menschen in den Betrieben halten, das muss jetzt der Maßstab für Arbeitgeber, Politik und Banken sein. Es geht um die Zukunft von NRW: Langfristige Beschäftigungsziele sind wichtiger als kurzfristige Renditeziele.“

Die IG Metall befürchtet, dass es in den nächsten Monaten gerade in Nordrhein-Westfalen zu einem massiven Verlust von Arbeitsplätzen kommt. Sie sieht dadurch an zahlreichen Stellen die industrielle Substanz gefährdet.
Oliver Burkhard: „In den letzten Jahren wurde in unseren Industrien zu sehr auf Kostenreduzierung gesetzt, zu wenig auf Innovation. Das droht jetzt zum Bumerang für den Standort und die Arbeitsplätze zu werden. Und wenn wir nicht aufpassen, werden wir aus der Krise direkt in die Fachkräftelücke stolpern. Um das zu verhindern und Beschäftigung zu sichern, brauchen wir jetzt entschlossenes Handeln aller Akteure“

10 Schritte für „Zukunft in Arbeit“ legt die IG Metall NRW dazu vor:
So fordert die IG Metall von den Banken, dass kein betriebwirtschaftlich sinnvoller Auftrag und keine Zukunftsinvestition an überhöhten Zinssätzen und Tilgungsraten oder verweigerten Finanzierungen scheitert. Darüber hinaus verlangt sie höhere Anreize und bessere Unterstützung gerade für kleine und mittlere Betriebe beim Thema Qualifizierung während der Kurzarbeit. Damit kann der schon programmierten Fachkräftelücke im Aufschwung entgegengewirkt werden.
Mit Strukturentwicklungsanalysen will die IG Metall erreichen, dass gerade in der für Nordrhein-Westfalen charakteristischen Struktur kleiner und mittlerer Betriebe die Zukunftstrends rechtzeitig erkannt und alle Chancen genutzt werden, um industrielle Beschäftigung zu sichern.
Von den Betrieben erwartet die IG Metall, dass die Kurzarbeit in vollem Umfang bis zu 24 Monaten genutzt wird. Sie will sich konsequent gegen alle jetzt bereits geplanten Entlassungen stellen. Auszubildenden, Älteren und Leiharbeitnehmern sollen Perspektiven statt Arbeitslosigkeit geboten werden. Beschäftigten sollen Qualifizierungsbrücken mit Rückkehrmöglichkeiten in den vorherigen Betrieb gebaut werden. Betriebsräte sollen zusätzliche Beratungshilfe bekommen, damit keine Chance der Beschäftigungssicherung und Nutzung öffentlicher Hilfen ungenutzt bleibt.
Die IG Metall wird auf dieser Grundlage in den kommenden Wochen und Monaten alles tun, um Beschäftigung zu sichern und die Krisenfolgen zu begrenzen

Oliver Burkhard: „Wir leisten unseren Beitrag und wenn es nötig ist, führen wir die Auseinandersetzung. Die Lasten dieser Krise müssen fair verteilt werden. Wenn alle Akteure diese 10 Schritte mitgehen würden, wären wir einen Riesenschritt weiter. Unsere `Ideologie` ist ein Pragmatismus, der den Menschen nützt.“

10 Schritte für „Zukunft in Arbeit“

1. Banken in die Pflicht nehmen
Kein betriebswirtschaftlich sinnvoller Auftrag und keine Zukunftsinvestition darf an der Finanzierung scheitern. Die Banken müssen ihren Geschäftskunden den Zugang zu bestehenden öffentlichen Förderprogrammen erleichtern. Auch dürfen sie in dieser Situation nicht länger auf Zinssätzen und Tilgungsraten beharren, wenn deren Finanzierung Arbeitsplätze und Einkommen der Beschäftigten kostet. Wer von Kurzarbeit betroffen ist oder in der Krise arbeitslos wird, muss faire Bedingungen für einen Dispositionskredit bekommen. Viele Zinssenkungen sind da nicht weitergegeben worden. Die Spannen der Banken sind riesengroß, während Arbeitnehmer die Zinsen oft nicht mehr zahlen können. Das muss aufhören.

2. Anreize für Qualifizierung bei Kurzarbeit forcieren - nicht die nächste Fachkräftelücke programmieren
Alle Experten sind sich einig: Der letzte Tag der Krise ist der erste Tag des Fachkräftemangels. Es ist unverständlich, dass bisher in nur zwei Prozent aller Kurzarbeitsfälle die Zeiten auch für Qualifizierung genutzt werden. Bundesregierung, EU und Landesregierung müssen Programme wie den WeGebAU mit zusätzlichen Mitteln ausstatten und die ESF-Förderkonditionen verbessern und vereinfachen. Gerade kleine und mittlere Betriebe können den Planungs- und Beantragungsaufwand unter dem Druck von Krise oft nicht allein bewältigen. Es darf aber nicht passieren, dass deshalb dringend nötige Qualifizierung unterbleibt und Chancen ungenutzt bleiben. Das Problem der künftigen Fachkräftelücken muss jetzt angepackt werden.

3. Mit Strukturentwicklungsanalysen Zukunftstrends rechtzeitig erkennen und handeln, um industrielle Substanz zu sichern.
In zahlreichen Branchen und Fachzweigen in NRW droht, dass sich die akute Krise zu einem tiefgreifenden und beschleunigten Verlust industrieller Substanz auswächst. Strukturentwicklungsanalysen müssen der erste Schritt sein, um hier gegenzusteuern. Wir brauchen auch 2015 und 2020 Arbeitsplätze in industrieller Fertigung und Dienstleistung, die für Einkommen und Wirtschaftskraft in NRW sorgen. Dafür muss das Land NRW in Abstimmung mit Arbeitgebern und Gewerkschaften schnell zusätzliche Arbeitskapazitäten schaffen.

4. Kurzarbeit für 24 Monate voll nutzen, statt entlassen.
Entlassungen trotz bestehender Möglichkeiten der Beschäftigungssicherung per Kurzarbeit sind unnötig und für die Betroffenen eine Zumutung. Die IG Metall wird sich gegen jeden Entlassungsplan richten, bei dem nicht die verbesserten Bedingungen der Kurzarbeit von den Unternehmen im vollen Umfang von 24 Monaten genutzt sind.

5. Beratungs-Task-Force zur Krisenintervention und Zukunftssicherung
In jedem Unternehmen mit akut drohendem Stellenabbau oder strukturellen Problemen organisiert die IG Metall die schnelle Prüfung aller Alternativen zur Beschäftigungssicherung. Dazu arbeitet sie mit einem Pool von erfahrenen Beratungsspezialisten zusammen. In Eilfällen übernimmt die IG Metall die Kosten für schnelle Beratungshilfen.

6. Orientierungsberatung für Betriebsräte finanzieren
Betriebsräte sind aktuell als Krisenmanager enorm gefordert. Jetzt werden in den Unternehmen die strategischen Weichenstellungen für die kommenden Jahre vorgenommen. Effektive Beschäftigungs- und Zukunftssicherung erfordert heute enormes Know-how. Wir fordern die Landesregierung auf, für alle Betriebsräte eine Orientierungsberatung zu finanzieren, die sie bei der Erarbeitung betrieblicher Konzepte und der Nutzung öffentlicher Förderprogramme unterstützt.

7. Bei unvermeidbarem Personalabbau Transfer und Qualifizierungen mit Rückkehrmöglichkeiten
In Einzelfällen von unvermeidbarem Personalabbau muss die Bundesregierung die Voraussetzungen für einen optimalen Beschäftigtentransfer schaffen. Dazu gehört, dass für 24 statt derzeit zwölf Monate Qualifizierungen sowohl zur Vermittlung in neue Arbeitsplätze als auch mit Rückkehrmöglichkeiten in den bisherigen Betrieb zu vereinbaren sind.

8. Auszubildende in die Betriebe bringen und Ausgebildete halten
Damit nicht ganzen Jahrgängen jüngerer Beschäftigter der Zugang zu Betrieben verwehrt bleibt, müssen betriebliche oder tarifliche Vereinbarungen zu Übernahmeverpflichtungen mit Instrumenten von Kurzarbeit und Qualifizierung intelligent verbunden werden. Die IG Metall wird dies bei allen betriebliche Lösungen für Beschäftigungssicherung weiter zum Thema machen – Betrieb für Betrieb.

9. Alterskurzarbeitergeld für 36 Monaten einführen
Damit gerade älteren Beschäftigten nicht nach der Kurzarbeit die Arbeitslosigkeit ohne neue Vermittlungschancen droht, ist für diese Beschäftigtengruppe eine Ausweitung der Kurzarbeitsfinanzierung auf 36 Monate einzuführen. Möglichkeiten zur Altersteilzeit sind sowohl betrieblich wie gesetzlich auszuweiten, um jetzt den Jüngeren Zugänge in Betriebe zu eröffnen.

10. Leiharbeit fair regeln und begrenzen
Die IG Metall wird gerade in der Krise weiter darauf drängen, Leiharbeit fair zu regeln und zu begrenzen. Es darf sich nicht wiederholen, dass die bisher rund 50 000 vor allem jungen Leiharbeitnehmer gleich doppelt verlieren. Sie haben vielfach schon im Betrieb die geringsten Einkommen gehabt und sind benachteiligt worden. Jetzt werden sie ohne Kurzarbeitsabsicherung als Erste arbeitslos.

Die IG Metall wird auf dieser Grundlage in den kommenden Wochen und Monaten alles tun, um Beschäftigung zu sichern und die Krisenfolgen zu begrenzen.

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Wolfgang Nettelstroth, Pressesprecher
IG Metall-Bezirksleitung NRW
Sonnenstraße 10, 40227 Düsseldorf
Telefon: (0211) 45484-127
Telefax: (0211) 45484-133
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E-Mail: wolfgang.nettelstroth(at)igmetall(dot)de
Internet: www.nrw.igmetall.de

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