Preis Demokratie im Betrieb verliehen
Arbeit und Leben (AuL) NRW zeichnet das Engagement für Werkvertragsbeschäftigte und eine Betriebsratsgründung aus.
Alles begann mit einem Krankenhausaufenthalt von Inge Bultschnieder aus Rheda-Wiedenbrück im September 2012. Sie liegt im Zimmer mit Katya Antonova. Die 38-jährige Bettnachbarin habe fürchterlich ausgesehen: „ganz dünn und Ringe unter den Augen“. Die Bulgarin und Werkvertragsbeschäftigte war wegen eines Asthmaanfalls im Fleischwerk Tönnies ins Krankenhaus eingeliefert worden. „Da habe ich ihr versprochen, dass ich auf sie aufpassen werde, und das habe ich dann auch gemacht.“
Inge Bultschnieder besucht später ihre neue Bekannte in deren Unterkunft in Herzebrock. „Es war einfach schrecklich dort, Katya musste sich mit vier anderen Frauen, die alle rauchten, ein Zimmer teilen – und das bei ihrem Asthma.“ Trotz 40 Grad Fieber schleppt sich Katya Antonova zur Arbeit, aus Angst, ihren Job zu verlieren. Sie bricht zusammen und wird erneut ins Krankenhaus eingeliefert. Als sie aus der Klinik entlassen wird, hat ihr die Werkvertragsfirma gekündigt.
Mit gepackten Tüten steht vor der Haustür der Familie Bultschnieder. Die fackeln nicht lange, bieten ihr Unterkunft und Verpflegung an. Heute lebt Katya Antonova mit ihrem Ehemann in Wiedenbrück.
Inge Bultschnieder und die Ärztin Almuth Storck gründen die Interessengemeinschaft (IG) Werkfairträge. Heute erhielt sie einen der beiden ersten Preise „Demokratie im Betrieb“ von AuL, der Arbeitsgemeinschaft für politische Bildung von DGB und VHS.
Landesschlichterin Anja Weber sagte in ihrer Laudatio, die IG Werkfairträge mache durch ideenreichen Aktionen und Aufrufe auf Missstände aufmerksam, mobilisiere die Bevölkerung, und führe konkrete Verbesserungen für die betroffenen Menschen herbei. „Dafür hat sie diese Auszeichnung verdient.“
Landesarbeitsminister Rainer Schmeltzer (SPD) nannte es „falsch und kurzsichtig“ den Wettbewerb über prekäre Arbeitsbedingungen wie Niedriglöhne, Befristungen und missbräuchliche Werkverträge zu führen. Deshalb habe die Landesregierung 2013 die Initiative ‚Faire Arbeit – fairer Wettbewerb‘ gestartet, mit der Wettbewerb auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beenden wollen.“
Der zweite erste Preis ging an die Verdi-Vertrauensleute des Paketdienstes UPS Düsseldorf. Sie hatten dort eine Betriebsratswahl initiiert und gegen den Widerstand des Arbeitgebers durchgeführt. Das Management setzte alles daran, die Wahl gewerkschaftlich organisierter Kolleginnen und Kollegen zu verhindern. Dabei wurden alle Register gezogen – bis hin zur Einschüchterung der Belegschaft, Diffamierung der Verdi-Liste und Aufstellung von arbeitgebernahen Kandidatinnen und Kandidaten. Trotzdem errang die Verdi-Liste zwei Sitze im neuen, erstmals gewählten Betriebsrat.